Klimakämpfe zwischen Vielfachkrise und globaler Gerechtigkeit. Das Netzwerk transact im Streitgespräch
Verfasst von ta! unter Texte und Reader am Januar 8, 2020
Kurze Einleitung
Zu Recht standen die Jahre 2015 und 2016 ganz im Zeichen der Migration. Demgegenüber war 2019 das Jahr des Klimawandels – „endlich“, möchten wir hinzufügen. In diesem Sinne haben wir uns bei unserem letzten Treffen unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie die aktuellen Klimaproteste einzuordnen sind, auch mit Blick auf andere gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Dabei dürften nur die wenigsten unserer Überlegungen, Fragen und Kontroversen neu gewesen sein. Dennoch haben wir uns entschieden, unsere Debatte zu verschriftlichen, allerdings nicht als Protokoll, sondern als (anschließend per E-Mail geführtes) Streitgespräch. Denn gerade, weil mittlerweile viele Gruppen und Netzwerke um die Frage ringen, ob und wie die Klimakatstrophe noch aufzuhalten ist, kann es interessant sein, etwas ausführlicher mitzubekommen, wie andere die diesbezüglichen Themen und Crossover-Notwendigkeiten angehen – quasi als eine Art Hintergrundreflektion, ergänzend zum praktischen Tun und Werkeln. Aus bewegungsgeschichtlichen Gründen sei noch angemerkt, dass unser Text als Fortsetzung eines Streitgesprächs gelesen werden kann, das wir bereits 2008 anlässlich des Hamburger Klima-/Antira-Camps unter dem Titel „Luxus für alle! In Zeiten des Klimawandels?“ veröffentlicht haben. Dieses und weitere Texte finden sich auf unserer Webseite: https://transact.noblogs.org/, unser aktuelles Streitgespräch ist auch auf der Webseite des Projekts „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ dokumentiert: www.welche-gesellschaft.org
Ein Wort noch zu uns: „Transact!“ wurde 2007 von Aktivist*innen aus Berlin, Bremen (NoLager), Hanau (kein mensch ist illegal) und Wien (aktiv im Europäischen BürgerInnen-Forum) gegründet. Wir organisieren keine eigenen Aktionen, vielmehr beteiligen wir uns an einer Vielzahl von Netzwerken und Projekten: kein mensch ist illegal/Hanau ist unter anderem beim Watch The Med Alarmphone, bei Welcome to Europe und bei Solidarity Cities aktiv, Schwerpunkt von NoLager Bremen ist die Mitarbeit bei Afrique-Europe-Interact, die Wiener Gruppe des Europäischen BürgerInnen-Forums setzt sich unter anderem für die Rechte von migrantischen Landarbeiter*innen ein, die Berliner*innen sind an verschiedenen Punkten aktiv, unter anderem bei Ende Gelände (wobei hinzugefügt sei, dass letztere sich aus Zeitgründen nicht an dem Streitgespräch beteiligt haben).
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[Vorbemerkung: Die Fragen stammen von uns selbst, sie haben sich aus unserer Diskussion ergeben]
Katastrophenszenarien und Klimanotstand sind bestimmende Themen. Wie schätzt ihr die Lage ein? Und welche Begriffe verwendet ihr oder welche warum nicht?
EBF/Wien:
„Wir haben nicht mehr viel Zeit“, sagte Rudi Dutschke vor mehr als 50 Jahren beim Vietnam-Kongress in Berlin. Aus seiner Sicht gab es damals eine unmittelbare revolutionäre Dringlichkeit, auf die die Versammelten reagieren müssten. Wir vertreten die Ansicht, dass sich heute die Dringlichkeit, die Gesellschaft zu verändern, potenziert und auf ein völlig neues Niveau gehoben hat: Denn es bleibt nicht viel Zeit, um die irreversiblen Schäden einzudämmen, die der global entfesselte Kapitalismus verursacht und die bei einem weiteren „Business as usual“ in dramatische sozial-ökologische Verwerfungen münden könnten. Viele Aktivist*innen und Wissenschaftler*innen sprechen deshalb seit geraumer Zeit von einer „Vielfachkrise“ des Planeten. Der Klimawandel wirkt zudem heute als Brandbeschleuniger für alle anderen Krisen, seien es soziale, ökonomische oder ökologische Krisen. Wenn es in absehbarer Zeit nicht gelingt, die Erwärmung unseres Planeten aufzuhalten, drohen verschärfte Krisendynamiken. Die herrschende Politik begegnet dieser Entwicklung mit einer ungeheuren Verdrängungsleistung. Wir denken, dass aufgrund des weitgehend irreversiblen Charakters der Klimaveränderungen (bei allem Gerede von Geo-Engineering) Grund genug gibt, gehörig Alarm zu schlagen. Diese Dringlichkeit darf uns aber nicht dazu verleiten, in den sozialen Bewegungen demokratische Prozesse auszuhebeln und einen autoritären Pfad einzuschlagen. Der Zweck heiligt nicht die Mittel, oder, um es salopp zu sagen: So etwas wie ein ‚Klima-Leninismus‘ wäre eine grobe Fehlentwicklung. Wir stehen also vor der gewaltigen Herausforderung, uns auf tatsächlich inklusive Prozesse einzulassen, die den Nachteil haben, oftmals mühsam und langwierig sein zu können. Ein gehöriges Spannungsfeld…
kmii/Hanau:
Wir stehen dem Begriff der Katastrophen aus mehreren Gründen ziemlich skeptisch gegenüber. Zum einen, weil er Angst auslöst, die eher lähmend wirken kann, und das erscheint uns wenig hilfreich oder gar kontraproduktiv, wenn wir emanzipative Kämpfe fördern wollen. Zum zweiten kann er u.E. die egozentrischen und eurozentristischen Herangehensweisen verstärken. Denn so, wie er in der Regel als Zukunftsszenario benutzt wird, ignoriert er die andauernden Katastrophen und Notstände, die sich alltäglich vor allem im globalen Süden abspielen und leider nichts Neues sind. Drittens: Den Medien folgend würden wahrscheinlich die meisten sagen, dass es in den letzten 10 Jahren viel mehr Tote und Verletzte durch Naturkatastrophen gegeben hat als in den Jahrzehnten zuvor. Das ist allerdings mitnichten der Fall, im Gegenteil. Es starben in den letzten Jahrzehnten durchschnittlich ca. 50.000 Menschen pro Jahr durch Naturkatastrophen (die nicht alle mit dem Klimawandel zusammenhängen). Ins Verhältnis gesetzt zur gleichzeitigen Zunahme der Gesamtweltbevölkerung ist – insbesondere durch Anpassungsmaßnahmen und Katastrophenprävention – die Todesrate massiv gesunken. Doch auch aus der linken Klimabewegung wird anderes suggeriert. Eine taktische Begründung im Sinne davon, dass Katastrophenszenarien der Mobilisierung dienen, halten wir nicht für ehrlich und auch nicht für nachhaltig. Natürlich muss davor gewarnt werden, dass die Kipppunkte schneller als erwartet kommen können und dass dringlich alles getan werden muss, um diese Entwicklung umzudrehen. Statt Angstmache sollte eine Klimagerechtigkeitsbewegung auf transnationale Kämpfe und Widerstandspotentiale fokussieren. Sie sind der Hebel gesellschaftlicher Veränderungen, mit Impulsen in alle Richtungen, in denen ein Umdenken und Handeln so dringend notwendig ist.
AEI/Bremen:
Wir können uns beiden Statements anschließen – jedenfalls teilweise: Zum einen teilen wir das Dringlichkeitsgefühl aus Wien, zum anderen glauben wir auch, dass apokalyptisch anmutende Krisenszenarien eher kontraproduktiv sind – das zeigen die Erfahrungen von 2015. Damals haben bereits 1 Million Geflüchtete gereicht, um die Zustimmungsraten zur AFD von unter 5 Prozent auf 15 Prozent nach oben schnellen zu lassen. Die Konsequenz sollte allerdings nicht sein, die Beschäftigung mit dem Klimawandel zugunsten einer Fokussierung auf Widerstandspotentiale in den Hintergrund treten zu lassen – nur, weil die Menschen ob der Größe des Problems verschreckt sein könnten. Als eine Art Kompromiss bevorzugen wir vielmehr, die Katastrophe konkret und somit auch besser greifbar bzw. weniger überwältigend zu machen. In unserem Fall bedeutet dies, dass wir ausgehend von unserer politischen Arbeit bei Afrique-Europe-Interact vor allem versuchen, über den Sahel zu reden – manchmal auch über andere Regionen in Subsahara-Afrika. Dadurch sind die Analysen weniger abstrakt, vor allem, weil sie konkrete Orte, Zeitpunkte und Menschen in den Blick nehmen, und auch, weil sie auf den konkreten Beziehungen beruhen, die wir zu bäuerlichen und anderen Gruppen aufgebaut haben. Gleichzeitig lässt sich präziser bestimmen, was konkret gemacht werden sollte, was ebenfalls hilft, diffuse Überforderungsgefühle zu vermeiden. Eine Anmerkung noch zu der von Hanau ins Spiel gebrachten Zahl von 50.000, die in unseren Ohren etwas zwangsoptimistisch daherkommt. Allein in West- und Ostafrika sind – je nach Zählart – zwischen 10 und 20 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Unzählige dürften an Folge- bzw. einfachen Begleiterkrankungen wie Durchfall sterben. Hinzu kommen lebenslange körperliche und geistige Beeinträchtigungen, die Hunger bzw. Mangelernährung in den ersten Lebensjahren nach sich zieht. In beiden Regionen hat das mit vielfältigen Gründen zu tun, aber ein wichtiger Faktor in einem komplexen Ursachengeflecht ist der Klimawandel. Dies zeigt: Wir sollten uns nicht bei Laune halten, indem wir uns gegenseitig vorrechnen, dass heute relativ weniger Menschen hungern als noch vor 20 Jahren. Vielmehr kommt es darauf an, der Katastrophe ins Auge zu gucken, ohne den Menschen hierzulande den Eindruck zu vermitteln, dass sie ab sofort entbehrungsreich mithungern müssten. Oder anders: Wir empfinden es bis heute als eine ernsthafte Schwäche linker Bewegungen, dass sie die Hunger- bzw. Ernährungsfrage – als einer der wichtigsten Fragen im Kontext des Klimawandels – weitgehend an NGOs, Kirchen, ökobäuerliche Interessenverbände oder Bürger*inneninitiativen delegiert haben, anstatt Fragen zu globaler Landwirtschaft als politisches Thema systematisch zu bearbeiten.
Wie schätzt ihr die Klima(gerechtigkeits)bewegung aktuell ein, wie die letzten Massenmobilisierungen der Klimastreiks? Welche Potentiale, aber auch welche Begrenztheiten seht ihr?
kmii/Hanau:
Zweifellos hat die Klima(gerechtigkeits)bewegung das Potential einer globalen emanzipativen Perspektive. Die große Mehrheit der 2019 in den Klimastreiktagen Mobilisierten engagieren sich aber mehr für den Artenschutz der Tiere und die weite Zukunft ihrer eigenen Kinder als für nahe und gleiche Rechte aller Menschen auf diesem Planeten – z.B. für das Recht auf Bewegungsfreiheit und damit gegen das Massensterben an den Grenzen der EU. Wir sagen nicht, dass es nicht wert wäre, die Verbindungslinien immer wieder herzustellen zu versuchen, aber die realen Begrenztheiten sollten ebenfalls auf den Tisch. Diese wiederum haben nicht zuletzt mit Klassenfragen zu tun. Die hiesige Klimabewegung ist von weißen Mittelschichten dominiert. „Die Regierung redet vom Ende der Welt, wir vom Ende des Monats!“ Mit diesem Slogan skandierten die Gelbwesten gegen die Regierung Macron, die angeblich zur Finanzierung der französischen Energiewende die höhere Besteuerung fossiler Kraftstoffe plante. Auf Kosten vieler Geringverdienender. Wenn Politiker*innen in Deutschland verlautbaren lassen, dass es „Klimaschutz nicht zum Nulltarif gebe“, geht die Drohung in die gleiche Richtung. Von Solaranlagen über Elektro-Autos bis zu veganen Lebensmitteln: klimagerechteres Haushalten muss mensch sich leisten können. Und hier sehen wir eine weitere Schwachstelle der Klimabewegung. Soziale Fragen – die Notwendigkeit gleichzeitiger Umverteilung von Vermögen und Einkommen – werden kaum thematisiert, die sozial(!)-ökologische Transformation bleibt zu oft ein nicht konkretisierter Anspruch.
AEI/Bremen:
Eure Einschätzung zu den Klimastreiks können wir nicht ganz nachvollziehen. Denn wenn man sich die erste größere Studie zu Fridays For Future vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung anguckt, dann kommt ein deutlich differenzierteres Bild raus (https://protestinstitut.eu/wp-content/uploads/2019/08/ipb-working-paper_FFF_final_online.pdf). Mehr noch: Wir finden es beeindruckend, was vor allem die Sprecher*innen von Fridays for Future teilweise an politisch komplexen und inhaltlich versierten Positionen formulieren. Das ist inhaltlich breiter als der Sprech vieler altgedienter, auf ihr eigenes Thema fixierter Bewegungsaktivist*innen, was auch zeigt, dass sich die Eichhörnchenarbeit lohnt, immer wieder themen- und spektrenübergreifende Crossover-Projekte stark zu machen wie etwa derzeit die Initiative „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“. Gleichzeitig wäre es weltfremd, von Schüler*innen eine umfassende Analyse zu erwarten, die im Laufe des letzten Jahres mehrheitlich das erste Mal überhaupt auf einer Demo waren. Insofern scheint uns vielmehr der Umstand wichtig zu sein, dass die Klimafrage in den letzten 12 Monaten in der öffentlichen Debatte endlich die Bedeutung erhalten hat, die ihr unseres Erachtens tatsächlich gebührt. Umgekehrt sollte mensch nicht aus dem Blick verlieren, dass es hierzulande in 2019 einen neuen Rekord bei SUVs gab, um nur ein besonders abstruses Beispiel für die bei Klimafragen fast schon normale Doppelmoral (nicht nur) der deutschen Bevölkerung zu nennen. Denn dies zeigt auch, dass die „gefühlte“ Verbindung zum globalen Süden weiterhin gekappt ist bzw. noch nie da war. Der eigene Skiurlaub mit individueller Anreise ist offenkundig wichtiger als der versiegende Brunnen im Sahel, entsprechend tut mensch einen Teufel, ausgerechnet den kapitalistischen Ast abzusägen, auf dem dieses ressourcenfressende Produktions- und Konsummodell basiert.
EBF/Wien:
Wir denken, dass ihr Hanauer*innen an dieser Stelle die Klimagerechtigkeitsbewegungen gehörig unterschätzt. Seien es der Massenmobilisierungsmotor Fridays for Future oder eher kleinere, aber äußerst wirksame und starke Bewegungen wie Ende Gelände, Sand im Getriebe oder Stay Grounded: In all diesen Zusammenhängen wird die soziale Frage stets thematisiert. Neben Scientists for Future gibt es mittlerweile Workers for Future, Trade Unionists for Future und und und… und mehr noch: Wir denken, dass die Klimafrage aktuell für alle emanzipatorischen Bewegungen so etwas wie ein Türöffner ist. Denn mit der Klimafrage können Fragen der globalen Gerechtigkeit und der weltumspannenden Solidarität anschaulich transportiert werden. Heute weiss jedes Kind, das auf die Fridays-Demos geht, dass Europäer*innen im Schnitt mindestens 11 Tonnen CO2 pro Jahr konsumieren, obwohl jedem Menschen nur 1, höchstens aber 2 Tonnen pro Jahr zustehen. Sie wissen auch, dass die CO2-Emissionen in unseren Gesellschaften klassenmäßig aufgefächert sind. Die Kids hassen die SUV-Fahrer und das ist Klassenkampf und Klimaschutz in einem.
kmii/Hanau:
Wir haben nicht über einige Tausend Klima-Aktivist*innen geredet, die in der Tat versuchen, globale Gerechtigkeitsfragen zu thematisieren. Wir haben über die 1,4 Millionen geredet, die z.B. am 20.9.2019 in Deutschland mit demonstriert haben und die die Gesamtstimmung bezüglich Klimawandel doch prägen. Und da würden wir weiter behaupten, dass 90 % oder mehr nicht für grundsätzliche und globale Änderungen auf die Straße gehen, die ja nötig wären, wenn die Klimakrise gestoppt werden soll. Wäre es anders, hätten wir hier schon längst andere Zustände. Die Masse redet vielleicht über Konsumveränderung, aber nicht über System Change.
AEI/Bremen:
Sicherlich, der Umgang der Mehrheitsgesellschaft mit dem Klimawandel ist hochgradig widersprüchlich, wir sagten es schon. Dennoch begreifen wir die in linken Kreisen populäre Zurückweisung sogenannter individueller Konsumkritik als linke Variante von Klimawandelleugnung – häufig einzig deshalb, um den eigenen imperialen Mini-Mittelschichtenkonsum zu rechtfertigen, inklusive Flugreise in den Urlaub. Geleugnet wird, dass in den letzten 30 bis 40 Jahren die grundlegende Kritik an Konsumpraxis meist auch mit veränderten Ideen und Forderungen bezüglich gesellschaftlicher Produktion einhergegangen ist: von bewusster Ernährung zur Agrarwende, von anderem Fortbewegungsverhalten zur Verkehrswende oder vom Stromsparen zur Energiewende. Sicherlich, diese Übergänge sind kein Automatismus, und nicht wenige belassen es tatsächlich beim symbolischen Abdrehen des Lichtschalters, um gleichzeitig auf hohem Niveau weiter zu konsumieren, eine Kritik, die sich nicht zuletzt konsumstarke Haushalte aus dem grünen Metropolenbürgertum gefallen lassen müssen. Aber Fakt ist auch, dass das, was heute unter Agar-, Energie- oder Verkehrswende diskutiert wird, gar nicht existieren würde, hätte es anfangs nicht jeweils kleine Initiativen, Betriebe oder Einzelpersonen gegeben, die den individuellen Konsum zum Ausgang einer kritischen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Missständen genommen haben. Und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Denn spätestens seit dem stalinistischen und maoistischen Terror des 20. Jahrhunderts mit Millionen Toten wissen wir, dass Bewusstseinsveränderung nicht qua Diktatur verordnet werden kann – nicht zufällig haben die Wiener*innen eingangs jedem Klima-Leninismus eine Absage erteilt. Insofern ist es in unseren Augen wichtig und notwendig, dass die linke Klimabewegung Konsumkritik als potentielles Einstiegstörchen stark macht und nicht denunziert. Und dieses Starkmachen sollte auch zwei weitere Feststellungen umfassen: Einerseits, dass ein ökologisches vernünftiges Leben ohne individuellen Autobesitz, aufwändige Hotelurlaube oder Geräte- bzw. Maschinenpark in der Küche ungleich billiger ist als ein sogenannter normaler Lebensentwurf – was wir auch mit Blick auf die weiter oben formulierte These der Hanauer*innen sagen, dass mensch sich einen klimaverträglichen Konsum erst einmal leisten können müsse. Andererseits, dass die von links gerne ins Rennen geschickte These ein buchstäblicher Pappkamerad ist, wonach ein einzelner nicht gemachter Flug das Klima nicht retten würde. Denn das hat auch nie jemand behauptet. Das Argument lautet vielmehr, dass Kämpfe ihren Ausgang in aller Regel davon nehmen, dass immer mehr Menschen ihr Interesse neu bestimmen – beispielsweise das Interesse, sich nicht mehr qua Flugzeug fortzubewegen, was im Zuge gesellschaftlicher Auseinandersetzungen früher oder später zu Alternativen führt, inklusive damit zusammenhängender Folgeauseinandersetzungen, etwa der Kampf für ein arbeitsvertraglich verankertes Recht, alle 3 bis 5 Jahre eine Fernreise mit dem Schiff oder der Eisenbahn antreten und daher 4 Wochen Extra-Urlaub für Hin- und Rückfahrt nehmen zu können.
kmii/Hanau:
Es ist auf keinen Fall ein Fehler, bestimmte – wir würden sagen: „satte“ – Bevölkerungsschichten zur ökologischen Konsumveränderung zu bewegen. Doch Konsumverzicht benötigt unserer Erfahrung nach eine gewisse Entscheidungsfreiheit und vielleicht eine behütete Kindheit. Menschen aus Kriegsgenerationen oder eben auch Geflüchtete mit krassen Entbehrungserfahrungen haben eine andere Geschichte und Konsum bedeutet hier auch Sicherheit oder Ausgleich. Anders formuliert: wer viele Jahre niemals auch nur an Urlaub denken konnte, wird sich den Traum erfüllen wollen, sobald es geht. Und nochmal grundsätzlicher: Uwe Schneidewind vom Wuppertaler Institut hat in seinem lesenswerten Buch „Die große Transformation“ nicht zufällig die Frage einer „kulturellen Revolution“ an den Beginn gesetzt. Dazu gehören dann die vielen kleinen Veränderungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, aber eben auch das Beharren auf globaler Gerechtigkeit, die allen (!) – der in 2050 sich wohl auf 10 Milliarden einpendelnden – Menschen auf diesem Planeten und ihren Folgegenerationen ein gutes Leben ermöglicht.
AEI/Bremen:
…ja, völlig einverstanden…
Bislang haben die Massenproteste kaum zu wirklichen politischen Veränderungen geführt. Wo seht ihr Ansätze für Durchsetzungsstrategien und wie schätzt ihr die Debatten um einen Green New Deal ein?
EBF/Wien:
Selbst wenn es gelänge, einen Green New Deal durchzusetzen, wären viele Umweltprobleme im allerbesten Fall erst im Ansatz gelöst: Mit einer grün-keynesianischen Wirtschaftspolitik, die darauf angewiesen ist, dass der Wachstumsmotor weiter brummt, werden die drastischen Senkungen der CO2 Emissionen, die notwendig sind, nicht erreicht werden können. Wir denken aber dennoch, dass ein Green New Deal ein Schritt in die richtige Richtung ist, wenn er denn die Handschrift einer Politikerin wie der US-Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) trägt. Ihn ihrem Vorschlag werden nämlich Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit glaubhaft mit der Forderung nach effektivem Klimaschutz verbunden. Darin unterscheidet sich Ocasio-Cortez radikal vom Demokratischen Establishment und auch vom Green New Deal-Entwurf der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Hier wäre wieder die entstehende und weiter wachsende Klimagerechtigkeitsbewegung gefragt: An ihr liegt es, an von der Leyens Vorschlag diejenigen Elemente einzufordern, die bei Ocasio-Cortez zumindest ansatzweise vorhanden sind. Ein Beispiel, wie es gehen könnte: Als der Vorschlag von Ocasio-Cortez im Februar 2019 in den USA präsentiert wurde, äußerten sich über 600 Gruppen aus dem Spektrum der Klimabewegungen in einem offenen Brief kritisch-solidarisch. Ihr Anspruch ist es nun, den Vorschlag mitzuentwickeln, zu verteidigen, zu korrigieren und voranzutreiben. Davon sind wir in Europa noch weit entfernt, v.a. weil von der Leyens Vorschlag eben viel unbrauchbarer ist als derjenige der fortschrittlichen Demokrat*innen rund um Ocasio-Cortez.
kmii/Hanau:
Durchsetzungsstrategien sind in allen Bewegungen eine zentrale Herausforderung und immer bewegen sie sich zwischen revolutionärer Realpolitik und kapitalistischer Modernisierung. Dieser Ambivalenz kann auch die Klimabewegung nicht entkommen. Chancen und Risiken liegen nahe beieinander. Alternative Landwirtschaft und dezentralisierte CO2-freie Technologien können Demokratisierung fördern, nicht zuletzt im globalen Süden. Gleichzeitig wollen bestimmte Kapitalfraktionen die Klimakrise zum Vehikel einer neuen Investitionsoffensive machen, die mehr Wachstum und neue Formen der Ausbeutung und sozialen Kontrolle schaffen soll. Geopolitische Veränderungen werden im Sinne einer neuen Welt des Kapitals diskutiert: Einige ölexportierende Länder würden wohl ihre Machtstellung verlieren. Die Patente für erneuerbare Energien liegen vor allem in China, Japan, EU, USA. Und es könnte zu neuen sozialen Verwerfungen in den bevölkerungsreichen Ölstaaten kommen, in Nordafrika, Nigeria, Irak, in denen ein Teil der Öleinnahmen dazu verwendet wird, die immer wieder revoltierende Bevölkerung ruhig zu halten. Es wäre dringend mitzudiskutieren, dass und wie eine weitergehende Verarmung weiterer Teile der Welt-Bevölkerung verhindert werden muss.
AEI/Bremen:
Ja klar, es gibt keinen widerspruchsfreien Weg aus der Krise, allerdings ist für uns die Frage des Green New Deal eng mit der Dringlichkeitsfrage verknüpft, aber auch mit den kollektiven Selbstaufklärungsprozessen im Rahmen der Konsumfrage. Denn wir finden den linken Maximalismus falsch, wonach nur die Beseitigung des Kapitalismus die endgültige Katastrophe aufhalten könne. Inhaltlich mag das richtig sein, aber da der Klimawandel schon wirksam ist, verbietet es sich, solche Parolen in den Vordergrund zu schieben, die de facto dazu führen, dass gar nichts passiert. Zugespitzter: Der Klimawandel ist ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit radikaler Realpolitik von links, so wie ja aus antirassistischer Perspektive auch nicht auf die Verhinderung einer einzelnen Abschiebung verzichtet wird, nur weil noch tausende andere Menschen ebenfalls abgeschoben werden. Insofern sollte sich ein Green New Deal nicht zuletzt an zwei Kriterien orientieren: Einerseits sollten Lösungen grundsätzlich baukastenmäßig aufgebaut sein – also so, dass sie kurzfristig greifende Konzepte mit langfristigen Strategien verbinden, selbst dann, wenn das heißt, dass man sich auch mit kleinen Brötchen als Zwischenlösung zufrieden gibt, etwa E-Mobilität als Übergangstechnologie auf dem Weg zu einer echten Verkehrswende mit stark reduziertem individuellen Autoverkehr. Denn es ist doch völlig klar: Die Mehrheit ist hierzulande weder intellektuell noch emotional bereit, innerhalb der nächsten 10 Jahre weitgehend auf ihr Auto zu verzichten – ganz davon abgesehen, dass die echte Verkehrswende nicht so schnell gelingen wird. Vor diesem Hintergrund können zwei oder drei Generationen kleiner, mindestens 10 Jahre gefahrener E-Autos kein Fehler sein, wie zum Beispiel in Norwegen, quasi als Ersatzdroge, um schrittweise vom Auto runterzukommen – bei gleichzeitiger Vermeidung sozialer und ökologischer Kollateralschäden beim Abbau von Lithium oder Kobalt unter anderem in afrikanischen Ländern. Andererseits sollte ein starker Fokus auf Alternativen gelegt werden. An diesem Punkt könnte die Klimabewegung noch deutlich praktischer werden – also das, was wir ablehnen, zu verbinden mit dem, wo wir hinwollen. Vorbild könnte hier unter anderem die Bewegung für eine andere Landwirtschaft sein, wo die Kritik am Agrobusiness bereits seit Jahrzehnten nahezu perfekt mit Alternativen verknüpft wird, auch wenn hinzugefügt werden muss, dass speziell das Bio-Milieu sozial viel zu homogen und daher für zahlreiche Menschen noch nicht anschlussfähig ist.
Nochmal zurück zu den sogenannten „Jetztkämpfen“. Könntet ihr nochmal konkretisieren, wie ihr Euch die Verstärkung der Nord-Süd-Verbindungen vorstellt?
EBF/Wien:
Zwar gelingt es den Regierungen im globalen Norden bisweilen noch, die gesellschaftliche Hegemonie stabil zu halten – manchmal sogar unter mehr oder weniger bürgerlich-liberalen Vorzeichen, wie aktuell mit der neuen Regierung aus Grünen und konservativer ÖVP in Österreich. Wer das Privileg hat, im Besitz der richtigen Papiere zu sein, lebt in der Regel in Frieden und muss zumindest nicht den Hungertod fürchten. Ein Großteil der Menschen in Zentraleuropa hat sogar das Privileg, in Wohlstand zu leben. Verglichen mit den apokalyptischen Lebensbedingungen, denen der Großteil der Bevölkerung in manchen Gegenden der Demokratischen Republik Kongo, in Bangladesh oder in Kolumbien ausgesetzt ist, hat man bisweilen den Eindruck, in einer Art V.I.P.-Zone der Welt zu leben. Die imperiale Lebensweise, ein Begriff der nicht zu Unrecht gerade hoch im Kurs steht, schafft die strukturellen Rahmenbedingungen, damit Elend und Umweltzerstörung außerhalb unseres Blickfelds bleiben. Und dennoch: Die verbliebenen Wohlstandsinseln schrumpfen, und innerhalb der Gesellschaften des reichen Nordens brodelt es zuweilen gewaltig. Deshalb müssen wir wieder große emanzipatorische Entwürfe denken lernen. Vor uns liegt das Jahrhundertprojekt der sozial-ökologischen Transformation. Niemand kann zum heutigen Zeitpunkt sagen, ob es gelingen wird, den Planeten vor Klimachaos und Verwüstung zu bewahren. Globale Solidarität ist dabei deshalb so zentral, da diejenigen am meisten von den Auswirkungen der Vielfachkrise leiden, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Das trifft ganz besonders auf die Folgen des Klimawandels zu – Argumente, die wir Kanzler Kurz und seiner Regierung von nun an um die Ohren hauen sollten. Extinction Rebellion hat in ihrem Buch „Wann, wenn nicht jetzt“ dazu wichtige Impulse geliefert. Und das, obwohl XR gleichsam vor problematischen inneren Zerreißproben steht und für die Aussagen einiger ihrer Protagonisten zu Recht heftig kritisiert wird.
kmii/Hanau:
Wie einleitend bereits angesprochen: eine einseitige Orientierung auf zukünftige Katastrophenszenarien oder gar „Extinction“ ignoriert oder vernachlässigt die Bedeutung der globalen Jetztkämpfe: für gleiche Rechte im Sinne einer sozial gerechten Existenz für Alle der heute nahezu acht Milliarden Menschen auf dieser Welt. Wenn dieser Kontext nicht immer wieder hergestellt und Verbindungslinien gezogen werden, wenn soziale und Klimakämpfe im Süden weitgehend ausgeblendet bleiben, dann wird die Klimabewegung ihr emanzipatives Potential nicht entfalten können.
AEI/Bremen:
Zunächst möchten wir nochmal darauf bestehen, dies auch als Infragestellung des Begriffs der „Jetztkämpfe“, dass die Klimakatastrophe bereits Gegenwart ist, kein Zukunftsszenario. Insofern kommt es lediglich darauf an, ob man sich die Katastrophe anguckt oder nicht. Zum anderen teilen wir die Wiener Einschätzungen, glauben aber, dass es vor allem darauf ankommt, praktische Schlussfolgerungen zu ziehen. In diesem Sinne sind wir über unseren nahezu täglichen Kontakt mit Mitgliedern der Bauerngewerkschaft COPON in Mali sehr froh, die ebenfalls Mitglied von Afrique-Europe-Interact ist. Denn dies ermöglicht uns nicht nur praktische, das Verständnis enorm bereichernde Blicke ins globale Treibhaus. Vielmehr vermittelt es auch jene existentiellen Mikroschocks, die wahrscheinlich notwendig sind, um sich selbst in Punkto Klimawandel dauerhaft auf die notwendige Spur zu setzen.
Ihr seid alle in der transnationalen antirassistischen Bewegung aktiv. Was ist Euch besonders wichtig in der Verbindung von „Klima und Migration“?
EBF/Wien:
An dieser Stelle sei noch ein weiteres Mal auf den Begriff der imperialen Lebensweise verwiesen. Er besagt im Wesentlichen, dass die meisten Menschen im Globalen Norden, also in den reichen, westlichen Industrienationen, sowie eine wachsende Zahl an Menschen in den sogenannten Schwellenländern, auf Kosten des größten Teils der Menschheit und der Umwelt leben. Um die imperiale Lebensweise zu stabilisieren, werden systematisch Menschenrechte verletzt, Bauern und Bäuerinnen sowie indigene Gruppen von ihrem Land vertrieben, die natürlichen Ressourcen werden ausgeplündert und der Klimawandel weiter angeheizt. So weit so bekannt. Doch für sehr viele Menschen bedeutet das Anhalten und die Vertiefung der imperialen Lebensweise eine fortschreitende Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Da die globale Ausweitung der imperialen Lebensweise den Bedarf an natürlichen Ressourcen immer weiter erhöht, nimmt die Konkurrenz um Land, etwa in lateinamerikanischen oder afrikanischen Ländern, immer weiter zu. All diese Dinge sind vom Thema Migration nicht loszulösen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Auswirkungen des Klimawandels sowie die sich weiter verschärfenden öko-imperialen Spannungen nicht automatisch dazu führen werden, dass der Großteil der Betroffenen in die verbleibenden Wohlstandsinseln migriert. Vielmehr wird mit dem Klimawandel aller Voraussicht nach zunächst die Binnenmigration enorm zunehmen. Dies vor dem Hintergrund, da die ärmsten Segmente der Bevölkerung in den jeweiligen Gesellschaften am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Ihnen fehlen meist die Mittel und die schieren Möglichkeiten, langen Migrationsrouten zu folgen.
kmii/Hanau:
Beide Themen stehen für globale Gerechtigkeitsfragen, die vielfältig miteinander verwoben sind und jeweils ein radikales Umdenken erfordern. Wer ernsthaft Klimagerechtigkeit fordert, muss Bewegungsfreiheit als globales soziales Recht auf die Tagesordnung setzen. Wer für das Recht zu bleiben kämpft, muss die Klimakrise als zusätzlichen, an Bedeutung zunehmenden Fluchthintergrund thematisieren. Wir sehen gerade in Österreich, die Wiener*innen sagten es schon, wie es auch kommen kann: wie die grüne Partei dem Slogan von Kurz folgt – „das Klima und Grenzen schützen“ – und zugunsten ihrer Klimaforderungen die Menschenrechte für Geflüchtete verrät. Dagegen müssen wir rebellieren. Beide Bewegungen müssen Grenzen einreißen, sich transnational organisieren und die Klimafrage als globale soziale Frage stark machen. Ein Klimaforscher aus Oxford hatte es gut auf den Punkt gebracht: „Der Klimawandel ist weniger ein Notfall als vielmehr eine schwelende Ungerechtigkeit. Unsere Vorfahren haben die Sklaverei nicht beendet, indem sie den Notstand erklärten und künstliche Grenzen für ´erträgliche` Sklavenzahlen erträumten. Sie benannten die Sklaverei als das, was sie war: eine spektakulär profitable Industrie, die Grundlage für viel Wohlstand in der damaligen Zeit, die auf einer grundlegenden Ungerechtigkeit beruhte. Es ist an der Zeit, dasselbe beim Klimawandel zu tun.“
EBF/Wien
Völlig richtig. Wir können die Sorge der Freund*innen aus Hanau insofern bestens verstehen, als dass nun ein reaktionärer Zugriff auf die Klimabewegung droht. Wenn wir nicht dagegenhalten, kann es leicht passieren, dass die Bewegung gespalten wird, inklusive zunehmender Kriminalisierung der radikaleren Klimagruppen, die sich auch für globale Gerechtigkeit einsetzen. Dabei handelt es sich nicht um ein rein österreichisches Problem: Die bürgerlichen Leitmedien in Deutschland preisen die Wiener Koalition bereits als europäisches Modell an. Genau deshalb glauben wir ja, dass es sich lohnt, den Begriff der imperialen Lebensweise stark zu machen. Die Kritik der imperialen Lebensweise der Mittel- und Oberschichten hierzulande trifft sich im Übrigen ganz gut mit den Argumenten, die weiter oben von den Freund*innen aus Bremen gebracht wurden. Nur so können wir verhindern, dass die Klimafrage gegen die Klassen- und Migrationsfrage ausgespielt wird.
AEI/Bremen
Spätestens seit dem Stern-Report zu den wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels im Jahr 2006 hat die Figur des Klimageflüchteten den Eisbären als Symbol des Klimawandels abgelöst. Und doch muss man sich vor Augen führen, dass es bislang viel weniger Klimageflüchtete gibt, als in vielen Studien immer wieder suggeriert wird. Denn die, die tatsächlich wegen des Klimawandels gehen müssen – die Wiener*innen sagten es bereits – sind in aller Regel viel zu arm, um eine weite Flucht antreten zu können. Entsprechend migrieren diese Menschen eher nahräumlich – in aller Regel handelt es sich um bäuerliche Haushalte, Fischer*innen oder Viehhirten. Wenn überhaupt können sich einzelne Familienmitglieder auf den Weg in die Hauptstadt oder ins Ausland machen, während die übrigen Haushaltsmitglieder in gewisser Weise verhinderte Klimageflüchtete sind, die sich allenfalls 30 oder 50 Kilometer weiterbewegen. Vor diesem Hintergrund geht die auch im Kontext des Klimawandels formulierte Forderung nach globaler Bewegungsfreiheit häufig ins Leere, ganz davon abgesehen, dass etwa Bauern und Bäuerinnen aus dem Sahel gar kein Interesse haben, plötzlich mit ihrer ganzen Großfamilie in Europa zu leben. Umso wichtiger ist, die vom Klimawandel am meisten Betroffenen dahingehend zu stärken, sich besser an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen, ob durch Bewässerungsprojekte, Aufforstungsprogramme oder Katastrophenschutz – von verbesserter Infrastruktur durch den Staat ganz zu schweigen. Hinzu kommt eine zweite Überlegung: Flucht und Migration liegen in aller Regel vielfältige Motive zugrunde, die zudem meist verschränkt sind. Auch deshalb ist es in aller Regel gar nicht so einfach, Klimageflüchtete von Freihandels-, Terror- oder Privatisierungsgeflüchteten zu unterscheiden. Und doch: Selbst wenn der hiesige Diskurs manchmal etwas ungenau ist, finden wir es wichtig, dass Klimaflucht als Problem anerkannt wird, auch in juristischer Hinsicht, was Papiere betrifft, zumal vieles dafür spricht, dass das Problem in den nächsten Jahren ständig größer werden dürfte.
Welche Perspektiven sehr ihr? Welche konkreten Räume und welche Kampagnen und Aktionen in 2020 erscheinen Euch wichtig? Wie weiter in Richtung Transformationsstrategien?
EBF/Wien:
Um globale Solidarität praktisch werden zu lassen, reicht es nicht aus, auf nur einer gesellschaftlichen Ebene präsent zu sein – beispielsweise ausschließlich in den zahlenmäßig doch relativ überschaubaren sozialen Bewegungen, die noch dazu oftmals den Nachteil haben, den Druck, den sie aufbauen, nicht über unbegrenzte Dauer aufrecht erhalten zu können. Deshalb gehen wir davon aus, dass verschiedene emanzipatorische Strategien produktiv zusammenwirken sollten; oder anders formuliert: Wir sollten zu einer Art inner-linken Arbeitsteilung finden: Soziale Basisbewegungen, Zivilgesellschaft und NGOs, Kirchengemeinden, Journalist*innen, Kulturschaffende, Universitäten bis hin zu progressiven Parteien müssen – bei aller Unterschiedlichkeit in der Wahl der Methoden und Ansätze – Synergien entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Unterstützung der Demokratischen Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez in den USA durch soziale Bewegungen. Der Ansatz der inner-linken Arbeitsteilung berührt außerdem den Ansatz Doppelstrategie, den wir hier stark machen wollen. Damit ist gemeint, dass wir unser eigenes Handeln im Alltag bzw. in unserem unmittelbaren Umfeld sofort ändern müssen – beispielsweise auf Autos verzichten, weniger oder kein Fleisch essen oder, falls wir Zugang zu materiellen Ressourcen haben, diese radikal umverteilen. Gleichzeitig müssen wir diese Änderungen mit Ansätzen kombinieren, die kraftvoll, überzeugend und großmaßstäbig in die Gesellschaft hineinwirken und die Institutionen und Tiefenstrukturen unserer Gesellschaft verändern. Die beiden Elemente der Doppelstrategie stehen dabei in ständiger Wechselwirkung und können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden. An dieser Stelle wollen wir an die große Degrowth-Konferenz an Pfingsten in Wien erinnern. Kommt zahlreich, denn dort wird nicht nur das Spannungsfeld zwischen strukturellen und individuellen, sowie zwischen globalen und regionalen Handlungsoptionen facettenreich und spannend diskutiert werden. Es soll auch darum gehen, spektrenübergreifend zu diskutieren, wie eine sozial gerechte Welt innerhalb der ökologischen Grenzen unseres Planeten aussehen könnte.
AEI/Bremen:
Wir finden sämtliche Bündnisprojekte wichtig und gut, entsprechend werden wir uns daran auch auf die eine oder andere Weise beteiligen – unter anderem an der großen Ende Gelände-Aktion im Herbst. Und doch möchten bzw. müssen wir uns auf unsere Kooperation mit unseren bäuerlichen Mitstreiter*innen in Mali und Guinea konzentrieren, vor allem, was die weitere Stärkung der Bauerngewerkschaft in Mali betrifft. Zum einen, weil die Prozesse vergleichsweise kompliziert und zeitaufwändig sind und insofern nur funktionieren, wenn alle Beteiligten wirklich kontinuierlich am Ball bleiben. Zum anderen, weil die Unterstützung kleinbäuerlicher Landwirtschaft auch praktischer Klimaschutz von unten ist – getreu des Slogans: „Small farmers cool the planet“.
kmii/Hanau:
„…Die Zustände schreien nach Veränderung! Es gibt Alternativen und es gibt auf diesem Planeten genug für Alle. Darin wollen wir uns gegenseitig ermutigen. Wir wollen mehr Austausch und Verständigung, auch über Widersprüche in und zwischen den sozialen Bewegungen. Und nicht zuletzt über die Frage, was ein gutes Leben für alle bedeutet…“ Mit diesen Sätzen wird im Manifest der Initiative „In welcher Gesellschaft wollen wir leben?!“ der Anspruch auf einen „übergreifenden Suchprozess für eine gemeinsame Perspektive“ formuliert. Gegenseitiger Erfahrungsaustausch sowie inhaltliche wie praktische Verknüpfungen zwischen verschiedenen Alltagskämpfen halten wir in der Tat für die zentrale Herausforderung, wenn wir in Richtung sozial-ökologischer Transformation denken. Wir leben in polarisierten Zeiten und sind mit komplexen Machtverhältnissen konfrontiert. Einfache Antworten wird es nicht geben. Wir stehen überall vor großen Herausforderungen, aber wir müssen uns mit unserem Pol für eine klimagerechte, offene und soziale Gesellschaft mitnichten verstecken. Klimastreiks, Feminist Futures und Mieter*innenproteste, Seenotrettung und der Auf- und Ausbau von Infrastrukturen für Bewegungsfreiheit: aktuelle Schlaglichter aus hiesigen Bewegungen, die Mut machen und Hoffnung geben, dass wir dem Rechtsruck und den autoritären und populistischen Formierungen keinesfalls tatenlos gegenüberstehen. Soziale Bewegungen haben eine gewachsene Massenbasis, umkämpfte Räume in vielen Feldern. Ganz ohne Che Guevara Nostalgie: „Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche.“
Über das Recht zu bleiben und zu gehen
Von Ouagadougou über Mitilini nach Nickelsdorf und weiter. Einige Anmerkungen zu den aktuellen Kämpfen um Bewegungsfreiheit und gerechte Entwicklung
Von transact [*], Oktober 2015
Die Dublin-Regelung geschleift bis außer Kraft, Frontex mit dem Rücken zur Wand, Europas Grenzen außer Kontrolle: In neuer Dimension und mit anhaltender Hartnäckigkeit haben die Bewegungen der refugees und migrants das EU-Grenzregime regelrecht überrannt. Das Recht auf Bewegungsfreiheit wird tagtäglich tausendfach durchgesetzt, im Zentralen Mittelmeer und in der Ägäis, durch Italien und über die Balkanroute, in Deutschland bis nach Skandinavien. Die Gegenseite versucht mit allen Mitteln, die verlorene Kontrolle zurückzugewinnen. Sie schärfen ihre Gesetze der Ausgrenzung und Entrechtung. Fast jeden Tag reißen sie immer noch und immer wieder Menschen in den Tod: erstickt in LKWs, ertrunken im Meer.
Doch die Selbstorganisation und das Selbstbewusstsein der Geflüchteten und Migrant_innen nehmen stetig zu, viele haben ihre Erfahrungen aus der Arabellion im Gepäck. Der Aufbruch zum „March of Hope“ am 4. September im Budapester Bahnhof markierte einen neuen Höhepunkt. Davon inspiriert kam ein neuer Schub von „Refugee Welcome“-Initiativen in Gang, verknüpft mit einer riesigen medialen Aufmerksamkeit, nicht nur in Deutschland und Österreich überwiegend in positiv-solidarischer Berichterstattung für die Geflüchteten. Bei allen „Ambivalenzen dieser Hegemonie“ – von bisweilen unerträglichem Paternalismus oder zynischen Nützlichkeitsdiskursen, inklusive Unterscheidung in gute und schlechte Flüchtlinge – sehen wir ein gesteigertes Potential für eine transnationale antirassistische Bewegung, die den „langen Sommer der Migration“ weiter erfolgreich flankieren kann und gleichzeitig den Impuls geographisch und sozial ausweiten muss. Und spätestens an dieser Stelle gilt es auch, nicht an den Außengrenzen der Europäischen Union stehen zu bleiben, sondern in einer transnationalen (Solidaritäts-)Perspektive den Bogen zu sozialen und politischen Auseinandersetzungen in den Herkunftsländern von Geflüchteten und Migrant_innen zu schlagen. Denn Fakt ist, dass sich die EU gerne als Feuerwehr präsentiert, wo sie doch selbst all zu häufig als Brandstifterin agiert – und zwar immer dann, wenn eigene Interessenslagen duchgeboxt werden sollen. Entsprechend sehen wir derzeit drei zentrale Herausforderungen:
Erstens: Fluchtwege freihalten – das Recht zu gehen!
Dazu gehören einerseits die Verstetigung und der Ausbau von Solidaritätsstrukturen entlang der gesamten Route. Von Initiativen im gesamten Mittelmeerraum wie Sea Watch (http://sea-watch.org/), Alarmphone (http://alarmphone.org/de/) oder dem Rasthaus für Migrantinnen und ihre Kinder in Rabat (http://afrique-europe-interact.net/1318-0-Das-Projekt.html), über konkrete Fluchthilfe- und Webguides bis hin zur materiellen Unterstützung von lokalen Projekten, insbesondere im Balkan beim Aufbau von Anlaufstellen und Gesundheitsposten. Zum anderen braucht es politisch offensive Mobilisierungen wie die Konvois aus Wien nach Ungarn oder die Open-Borders Karawane aus Ljubljana (siehe unten).
Zweitens: Hintergründe thematisieren – das Recht zu bleiben!
Ob durch (Ressourcen-)Kriege und Waffenexporte, durch Unterstützung korrupter Eliten oder durch Landraub, Überfischung und knallharte Handelspolitiken (verkörpert durch das viel zitierte „globale Huhn“): es gibt wenige Gründe für Flucht und Migration, an denen die Global Player der Weltökonomie und somit auch Europa und Deutschland nicht bestens verdienen. Um so verlogener erscheinen die Politikerreden, in denen proklamiert wird, die Ursachen der Migration nunmehr anpacken zu wollen. Sie wollen allenfalls eine weitere Zurichtung im Ausbeutungsgefälle. Dagegen steht die Kooperation mit selbstorganisierten Initiativen und Kämpfen für soziale Gerechtigkeit im globalen Süden. Denn eines dürfte klar sein: An den neo-kolonialen Abhängigkeitsverhältnissen lässt sich nur etwas ändern, wenn soziale Basisbewegungen aus Afrika und Europa in großem Stil gleichberechtigt, verbindlich und direkt zusammenarbeiten. Ob in Mali oder Burkina Faso bei Kämpfen für das Recht zu bleiben (und somit für eine gerechte bzw. selbstbestimmte Entwicklung). Oder in Syrien, wo es bis heute nicht nur hartnäckgigen Widerstand gegen das Assad-Regime und die IS-Truppen gibt, sondern auch beeindruckende Initiativen, Neues zu schaffen – ob in Erbin, Quamishli, Daraa oder Kobane.
Drittens: Kämpfe verbinden zu einer sozialen Offensive!
Wie wird es weitergehen in Europa und in Deutschland? Gelingt den Herrschenden die Eindämmung der erfolgreichen Flüchtlingskämpfe? Suchen sie notfalls verstärkt den Pakt mir rechtspopulistischen und rassistischen Parteien und Organisationen? Gelingt eine soziale Spaltung im Unten, das Teile und Herrsche im Gegeneinander-Ausspielen sozialer Bewegungen? Oder kann der Impuls der Autonomien und Kämpfe der Migration in andere soziale Fragen übergreifen? Können die Märsche der Hoffnung Mut machen und eine neue Dynamik sozialer Kämpfe in Europa entfachen? Freiheit, Würde, Demokratie, soziale Sicherheit für sich und ihre Familien, dafür demonstrieren die Menschen auf der Flucht mit allem Einsatz, dafür lassen sie sich von Zäunen und Grenzen nicht aufhalten. Sie wollen ankommen am Ort ihrer Wahl, zumeist bei Verwandten und Freund_innen quer durch Europa, dort die Sprache lernen, vernünftig wohnen, arbeiten, leben. „Solidarity for all“, der Slogan emanzipativer Netzwerke in Griechenland, wäre aufzugreifen, um alle Spaltungsversuche offensiv zu bekämpfen und gleichzeitig die „Normalität der Austerität“, die Politik der Sozialkürzungen und Prekarisierung, neu anzugreifen. Bezahlbare Wohnungen für alle durch neue Wohnungsbauprogramme, Zugang für alle zu gesundheitlicher Versorgung und Bildung, bedingungslose Grundeinkommen und erhöhte Mindestlöhne: Diese sozialen Forderungen können und müssen mit neuem Leben gefüllt werden, durch soziale Aneignung und soziale Streiks, lokal bis transnational. Kurzum: Die Kämpfe der Geflüchteten und Migrant_innen haben die soziale Frage mit neuer Wucht auf die Tagesordnung gesetzt. Greifen wir sie auf, reißen wir die Grenzen nieder, in allen Ländern, in allen Köpfen!
Schließlich noch ein Wort zu uns und zur Frage, wie wir uns in diesen Kämpfen verorten: »Transact!« – dieser Slogan verleiht unserer gemeinsamen Überzeugung Ausdruck, dass regionale, überregionale und transnationale Kämpfe miteinander verbunden werden müssen. Dementsprechend suchen wir nach Möglichkeiten des “Crossover”, der Brückenschläge zwischen verschiedenen Teilbereichsbewegungen und zwischen mehr und weniger radikalen Linken. Es geht uns um die Verbindungen zwischen unterschiedlichen sozialen Realitäten und Kämpfen – in unseren Augen eine zentrale Bedingung, um gegen das globale Ausbeutungsgefälle anzugehen. Wir beziehen uns dabei auf vielfältige (Alltags-)Kämpfe und Sozialbewegungen, entsprechend sind wir in ganz unterschiedlichen Bereichen aktiv. In der folgenden chronologischen Collage sind einige dieser (Alltags-)Kämpfe schlaglichtartig skizziert und mit Links zum Weiterlesen versehen – und das vor allem hinsichtlich dessen, dass die diesbezüglichen Auseinandersetzungen zugleich exemplarische Antworten (unter anderem) auf besagte drei Herausforderungen enthalten.
Eine kurze Chronologie aktueller Kämpfe
15.08.2015: Tagebau Garzweiler
Kämpfe für ein ganz anderes Klima
Geschafft, Ende Gelände für die Braunkohle! Wenigstens für einen Tag. Auf unterschiedlichsten Wegen, über eine Autobahn, vorbei an prügelnden Polizist_innen und aggressivem Werkschutz, sind wir bis an die Bagger gekommen – diese riesigen Ungetüme, die täglich den Klimawandel weiter befeuern und damit die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen bedrohen. Es werden die ärmsten Menschen sein, die am meisten darunter zu leiden haben. Um lebenswerte Perspektiven an allen Orten der Welt kämpfen wir gegen den Klimawandel. Und wenn Menschen woanders leben wollen oder müssen, haben sie uns nicht zu fragen, ob sie kommen dürfen. Unsere Regierungen und die Konzerne haben auch nicht gefragt, ob sie die Welt verheizen dürfen. Weitere Infos: https://ende-gelände.org
27.08.2015: Mytilini
„Wir haben jeden Abend mit neuen Menschen gesungen und getanzt, weil diese Grenze nicht zu halten ist und alles in Bewegung“
Zwei Wochen auf der griechischen Insel Lesvos im Sommer 2015: mehr als 15.000 Neuangekommene vor allem aus Syrien, Afghanistan und Irak. Die Bilanz der Reise: mehr als 500 Menschen von den Booten direkt zum Hafen zur Registrierung gefahren, tausende Wasserflaschen verteilt, mit Hunderten von Kindern gespielt, Windeln verteilt, trockene Kleider und Malstifte. Rollstühle besorgt für diejenigen, die sonst meist zurückgelassen werden mussten und heute oft mit auf dem Weg sind. Mit Schwangeren und Schwerkranken und Verletzten ins Krankenhaus gefahren. Der Anteil der Frauen, Kinder und auch der Alten und Zerbrechlichen war niemals so hoch wie jetzt. Auf der Insel spielt sich für viele tausende Neuankommende täglich eine humanitäre Katastrophe ab, Menschen müssen vor der Registrierung unter unmenschlichen Bedingungen warten, hungernd, manchmal tagelang in der Gluthitze. Wichtig sind vor allem Informationen für die Weiterreise, tausende Guides auf Arabisch und Farsi wurden diesen Sommer verteilt: Welcome to Europe! Die meisten großen Hilfsorganisationen und NGOs sind vor allem mit Monitoring beschäftigt, es sind viele Menschen vor Ort, die jeden Tag praktische Solidarität leisten und das Überleben der Menschen sichern. Abschied an der Fähre. Am Hafen stehen all jene, die diesmal kein Ticket ergattert haben und fotografieren mit Smartphones das Banner am Heck: „Ferries not Frontex!“ Mehr über die Reise „Back to the Borders III“ auf Lesvos/ Griechenland: http://lesvos.w2eu.net/, Guides „Welcome to Greece“: http://w2eu.info/greece.en/articles/greece-guide.en.html
01.09.2015: Main-Kinzig-Kreis
Zwei weitere Kirchenasyle gegen Dublin-Abschiebungen
Vermittelt über „Lampedusa in Hanau“, einer selbstorganisierten Initiative von Flüchtlingen in Hanau, starten zwei neue Kirchenasyle, um die (Dublin-)Abschiebungen von zwei somalischen Flüchtlingen nach Italien und Malta zu verhindern. Seit Juni 2014 wurden im Main-Kinzig-Kreis 19 Menschen durch Kirchenasyle geschützt, mittels juristischer und politischer Initiativen wurde erreicht, dass alle der über 50 von Abschiebung Bedrohten nun dauerhaft im Main-Kinzig-Kreis bleiben werden. Mehr Infos: http://lampedusa-in-hanau.antira.info/
04.09.2015: Budapest
March of Hope
Nach Wochen des Wartens, des Feststeckens am Keleti-Bahnhof in Budapest, kam es am 4. September zum bisherigen Höhepunkt dieses Kampfes um Bewegungsfreiheit. Über tausend Flüchtlinge brachen am frühen Nachmittag zu Fuß auf, um sich auf den mehr als 170 km langen Marsch an die ungarisch-österreichische Grenze zu machen. Das Ziel war erklärterweise Deutschland, aber den Aufbruch musste man, so ein Budapester Aktivist, auch als »ein gewaltfreies Ventil für eine massive Spannung« verstehen, die von Regierung und Polizei am Bahnhof produziert worden war. Auch im Lager Bicske machten sich Hunderte der dort aufgehaltenen Refugees zu Fuß auf den Weg und liefen auf den Bahngleisen gen Westen. Schon am Morgen hatten weitere dreihundert Refugees, die in Röszke nahe der ungarisch-serbischen Grenze interniert waren, den Zaun um das Lager überwunden, wurden aber später wieder von der Polizei festgehalten. Etwa 35 Kilometer westlich von Budapest wurde der »March of Hope« für die Nachtruhe unterbrochen. Die müden Marschierenden bereiteten ihr Schlaflager am Rande der Autobahn. Nur wenige Stunden später kamen schon die Busse angefahren, die die Refugees zur österreichischen Grenze bringen würden. Ein Etappensieg war errungen, die Grenze wurde geöffnet. Beim Zurückfahren im strömenden Regen trafen wir nun entlang der Bundesstraße und an den Autobahnraststationen einzelne Refugees und kleine Gruppen, die sich von Bicske aufgemacht hatten. Im Flow des »March of Hope« gelangten auch sie in dieser Nacht unbeschadet über die Grenze nach Österreich.
06. 09. 2015: Wien – Nickelsdorf – Györ – Wien
Schienenersatzverkehr
In den Wochen vor dem »March of Hope« hatten Einzelpersonen und kleine Gruppen vermehrt begonnen, Fluchthilfe zu ihrer Praxis zu machen. Anlass waren die 71 Menschen, die am 27. August tot in einem LKW auf der Autobahn im Burgenland (Ostösterreich) gefunden worden waren – sie hatten die zwangsweise versteckte Reise nach Mitteleuropa nicht überlebt. »Der LKW hat uns das Mittelmeer direkt vors Outlet-Center geknallt«, kommentierte ein burgenländischer Bürgermeister. Viele, die vorher nicht aktiv gewesen waren, wurden jetzt zu Fluchthelfer_innen: Die »Mittelmeertragödie im Burgenland« hatte sie mit der moralischen Selbstsicherheit ausgestattet, dass so ein Tod nicht nötig sein kann. In diesen Tagen wurde in Wien auch die Initiative »Refugee-Konvoi, Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge« gegründet. Sie war nicht zuletzt Reaktion auf die undurchsichtige Zugfahrpolitik der ungarischen Regierung – die grenzüberschreitenden Züge wurden eingestellt, es war unklar, wie die Refugees aus Budapest und ganz Ungarn weiterkommen sollten, Tausende steckten an den Bahnhöfen fest. Unklarheit war in diesen Tagen ohnehin das Motto für alles – würden wir massenweise als Fluchthelfer_innen festgenommen werden? Den Refugees mehr schaden als helfen? Würden wir scheitern oder einen großen Schritt weiterkommen? Letztlich überholte der »March of Hope« alle Diskussionen. Die Grenzen waren eine kurze Zeit lang sperrangelweit offen. Der erste Konvoi fuhr mit der Unterstützung ungarischer NGOs von Budapest bis Hegyeshalom, und unter Geleit der österreichischen Polizei von Nickelsdorf weiter bis Wien Westbahnhof. Seither ist das Konvoifahren zur gängigen Praxis geworden. Budapest – Wien, Vámosszabadi – Nickelsdorf, Szentgotthárd – Schärding. Mobile Willkommenskultur auf einem kleinen Stück des Weges.
06.09.2015: Tunis
Proteste der Angehörigen der Vermissten
Zum dritten Jahrestag eines Bootsunglückes bei Lampedusa mit über 70 ertrunkenen oder vermissten tunesischen Harragas hat die Organisation der Angehörigen (La Terre pour tous) zum Protest aufgerufen. Mütter und Väter der Verschwundenen, aber auch junge Leute beteiligten sich an einer Theater- und Bootsaktion. In einem Vernetzungstreffen am Tag darauf kamen Aktive aus verschiedenen Inititativen zusammen, um über Probleme und. Perspektiven des Kampfes gegen die „Border“ in Tunesien zu diskutieren. Als Alarmphone- und Noborder Tunis-Aktivis_innen sind wir an diesem Prozess weiter beteiligt.
15.09.2015: Syrien
Syrische Aktivist_innen zur aktuellen Flüchtlingsbewegung
Seit über 4 Jahren sind wir als Adopt a Revolution im Kontakt mit Menschen in Syrien. Dabei liegt unser Fokus immer auf den Aktivist_innen, die vor Ort zunächst die Revolution organisiert haben und nun seit Jahren im Krieg versuchen, zivilgesellschaftliche Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Dass sich in diesem Jahr die Fluchtbewegung in Richtung Europa so verstärkt hat, kommt für uns wenig überraschend, zu gering ist die Hoffnung auf Besserung im Land, zu gering sind die Chancen für die Menschen in den Nachbarländern, bald zurückkehren zu können. Gleichzeitig sind wir beeindruckt, wie sich die Politisierung vieler syrischer Aktivist_innen auch auf ihrem Weg nach Europa bemerkbar macht und sie tragende Rollen z.B. in der Organisation der Fußmärsche übernehmen. Zu der aktuellen Entwicklung in Europa mit der zunehmenden Durchlässigkeit der Grenzen haben wir einige unserer Mitstreiter_innen in Syrien befragt. Einige dieser Antworten:
Umm Ahmad, Duma, Ost-Damaskus: „Wir betrachten das Problem der Flüchtlinge mit aufrichtiger Besorgnis, denn wir wollen nicht, dass sie das Land verlassen. Die internationalen Staaten könnten ihnen dabei helfen, in ihrem Land zu bleiben, indem sie Bashar Al-Assad aus Syrien verweisen, anstatt dass dieser die Syrer_innen aus ihrem eigenen Land vertreibt. Die Art und Weise, wie die Staaten die Flüchtlinge unter sich aufteilen, macht uns traurig – als wären wir ein Kuchen, der aufgeteilt werden soll. Das gibt uns das Gefühl, unsere Würde verloren zu haben. Dafür ist die internationale Gemeinschaft verantwortlich. Wir wollen aus dem Krieg raus, aber nicht in ein größeres Gefängnis in Europa hinein. Die Zunahme der Bombardierung im August und Anfang September und der Einsatz der gewaltvollsten Methoden des Tötens und der Vernichtung durch Bashar Al-Assad und die Zerstörung Tausender Häuser hier hat allerdings dazu geführt, dass einige Bewohner_innen trotz ihrer großen Angst in andere Gebiete in Syrien geflohen sind, die vom Regime kontrolliert werden.“
Heba, Duma, Ost-Damaskus: „In Syrien wird die ganze Flüchlingssache als Karte betrachtet, die von der Europäischen Union ausgespielt wird. Die Europäische Union hätte die Leiden der Syrer_innen verringern können, indem sie Bashar Al-Assad eine politische Lösung „aufzwingt“ – und das stand innerhalb ihrer Möglichkeiten. Außerdem wäre es für die EU auch möglich gewesen, die am meisten Geschädigten aus den Flüchtlingslagern und den belagerten Gebieten in Syrien aufzunehmen, aber sie nimmt nur auf, wer es auch in die EU schafft. Wir sind überzeugt, dass Asyl in Europa den Syrer_innen letztlich nicht nutzt, wenn das Assad-Regime nicht gestürzt wird. Wir wollen einen syrischen Staat, der souverän und demokratisch ist. Wir wollen hier bleiben. Wir streben eine politische Lösung an, die unsere Leiden hier vor Ort verringert.“
Kamal, Afrin, Aleppo: „Es gibt eine Gruppe, die den Nachrichten und Geschehnissen an den Grenzen folgt. Das heißt, die Medien haben einen großen Einfluss, besonders im Bezug auf die großen „Willkommenskampagnen“, die es gab. In den meisten Regionen hier gibt es einen spürbaren Anstieg von Migration, besonders unter den Jüngeren, unter denen, die irgendwelche Qualifikationen besitzen (Arbeitszeugnisse, Uniabschlüsse) – aber sogar auch unter denen, die hier Arbeit und zum Teil hohe Gehälter haben und die sich trotzdem zur Flucht entschließen.“
Weitere Infos: https://www.adoptrevolution.org/
16.09.2015: Hanau
Welcome to Trains of Hope: 7 Tage von Izmir nach Hanau
Unzählige Male haben wir noch im August auf Lesvos die Frage beantwortet, was mit den Fingerabdrücken in Ungarn ist, nach denen nun einen Monat später keiner mehr fragt. Wir haben gesagt: „Geht weiter, ihr werdet ankommen, der Weg ist schwer, aber nie waren die Menschen so schnell wie heute!“ Wir haben gewunken an den Sonderfähren, jeweils bis zu 2500 Menschen im Aufbruch Richtung mazedonischer Grenze. Sie sind schnell gewesen, so schnell wie nie zuvor, Rekord in 7 Tagen von Izmir nach Hanau, 10 Tage von Homs. Jetzt stehen wir in Hanau am Bahnhof immer wieder nachts und sagen ‚Willkommen‘ auf einer Etappe der Reise, gemeinsam mit vielen anderen aus den verschiedenen communities und deren Vereinen, viele die einfach ‚Hallo‘ sagen wollen. Auch hier in den Notunterkünften, Turnhallen und Zelten ist noch immer für viele offen, wo die Reise hingeht. Auch hier noch keine Registrierung, zumindest für einen Moment die alten Regeln der schnellen Reglementierung gelockert. Viele werden weiter gehen, nach Schwerte zur Tante, nach Leipzig zur Verlobten oder nach Hamburg, weil da mehr Afghanen leben – oder von da aus weiter gen Norden, manche wollen bis Schweden, Norwegen oder Finnland. Nach ein paar Tagen entscheiden sich einige zu bleiben, weil sie nette Leute getroffen haben, weil die Stadt relativ mittig in Deutschland liegt oder weil sie einfach müde sind und endlich ankommen wollen. Welcome!
17.09.2015: Burkina Faso
Le Balai Citoyen (der Bürgerbesen)
Als im Herbst 2014 in Burkina Faso der Langzeitherrscher Blaise Campaoré durch eine breite Volksbewegung gestürzt und mit Hilfe eines französischen Militärhubschaubers außer Land gebracht wurde, kam dies einem Erdbeben gleich. Zum einen, weil Blaise Campaoré 1987 durch einen von Frankreich unterstützen Mord an seinem Vorgänger Thomas Sankara an die Macht gelangt war – einem der wichtigsten Hoffnungsträger des afrikanischen Kontinents im 20. Jahrhundert. Zum anderen, weil Blaise Compaoré bis zu seinem Sturz als treuer Verbündeter westlicher, insbesondere französischer Interessen in Westafrika galt. Entsprechend avancierte der insbesondere von jungen Leuten getragene Aufstand im Okotber 2014 rasch zu einer Art Role-Model für Demokratiebewegungen überall in Afrika, beispielweise auch bei den leider niedergeschlagenen Massenprotesten in Burundi im Mai 2015. Um so schockierender war es, als am 16. September 2015 die ehemalige Präsidentengarde von Blaise Campaoré versuchte, die Übergangsregierung einen Monat vor den ersten freien Wahlen seit über 28 Jahren aus dem Amt zu putschen. Doch die Bevölkerung ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen, Tausende gingen als so genannter Bürgerbesen direkt auf die Straße – getragen unter anderem von einer breiten internationalen Solidaritätsbewegung. Da auch die internationalen Institutionen wie die Afrikanische Union entschieden reagierten und bereits 2 Tagen später Sanktionen gegen Burkina Faso verhängten, brach der gut vorbereitete Militärputsch binnen einer Woche zusammen. Dies zeigt, dass auch die Luft für Autokraten dünner wird, unbeschadet dessen, dass noch viel zu viele fest im Sattel sitzen – nicht selten mit Unterstützung des Westens. Weitere Infos: http://afrique-europe-interact.net/1393-0-Putsch-in-Burkina-Faso-2015.html
17.09.2015: Mali
Landkämpfe für selbstbestimmte Entwicklung
Laut jüngst veröffentlichter Zahlen des UNHCR stehen Menschen aus Mali an neunter Stelle unter den in Italien ankommenden Bootsflüchtlingen. Dies ist kein Zufall, ist die Bevölkerung des westafrikanischen Sahellandes doch mit einer Vielzahl extremer Problemlagen konfrontiert – vom Klimawandel über islamistischen Terror bis hin zum Ausverkauf kleinbäuerlicher Ackerflächen an Großinvestoren (um nur drei Beispiele zu nennen). Um so erfreulicher war es, dass sich am 17. September 2015 über 500 Bauern und Bäuerinnen der von dem transnationalen Netzwerk Afrique-Europe-Interact mitgegründeten Basisgewerkschaft COPON in Kourouma getrofen haben, um weitere Aktivitäten zu koordinieren – nicht zuletzt eine im Rahmen der Großversammlung öffentlich angekündigte Feldbesetzung der beiden Dörfer Sanamadougou und Sahou, die seit 2010 schrittweise ihre gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen verloren haben. Weitere Infos: http://afrique-europe-interact.net/677-0-Aktionen-Europa—Vorschau.html
19.09.2015: Berlin
taz Panter Preis für Alarmphone
Ein Samstag Abend im September – diese Nacht werden die Leute am Alarmphone fast 900 Menschen auf drei Booten im Mittelmeer bis zu ihrer Rettung begleiten, und ebenso 100 Menschen auf zwei Booten in der Ägäis. Für das Alarmphone ist es neben der üblichen Arbeit auch ein außergewöhnlicher Abend: 2000 km nördlich, im Zentrum des Europas der Grenztoten, nimmt es den Panter Preis der Zeitung „die taz“ entgegen. Ein volles Deutsches Theater in Berlin würdigt mit Applaus seine humanitäre und politische Stellungnahme und Einsatz. „Alle nominierten Projekte sind super, aber ich habe für Euch gestimmt, weil Ihr Leben rettet“ hatten uns einige der Gäste schon vor Beginn zugeflüstert. Und in ihrem Applaus ist der Ernst der Situation auf dem Mittelmeer anwesend. „Ertrinken, meine Damen und Herren, ist ein leiser Vorgang“ beginnt die Festrede. Und endet mit „Das Alarmphone von watch the med agiert in dem Geist, Menschen zu schützen und nicht Grenzen.“ Webseite: http://alarmphone.org/de/, die beeindruckende Laudatio: http://taz.de/Laudatio-von-Mely-Kiyak/!161089/
20.09.2016: live.w2eu.info
ein live feed zur Situation an den Grenzen geht online
Während Anfang September Ungarn, Österreich und Deutschland den größten Wandel im Zuge des langen Sommers der Migration erlebten, mit den marches and trains of hope, sind heute die umkämpften Grenzorte erneut auch die im Süden – in Kroatien, Serbien, Mazedonien, Griechenland und in der Türkei. Mit dem live feed live.w2eu.info sammelt das Netzwerk Welcome to Europe täglich verifizierte Informationen über die sich ständig verändernde Situation an den Grenzen, über und für die Koordination von Unterstützungsnetzwerken an den verschiedenen Orten. Überall lässt sich beobachten: die EU und ihre Mitgliedsstaaten versagen im Bereitstellen der Infrastruktur und bei der Unterbringung entlang der Routen und vor allem beim Bereitstellen der nötigen Informationen für diejenigen, die auf dem Weg sind. Wir müssen das selbst tun und laden dazu ein, sich zu beteiligen. Webseite: http://live.w2eu.info/
26.09.2015: Botovo/Kroatien
die Kraft der Fluchtbewegung…
Es dürfte ziemlich einzigartig sein und muss als großartiger Erfolg der Flüchtlingsbewegung gewertet werden, was sich seit gut 10 Tagen an der kroatisch-ungarischen Grenze abspielt. Sonderzüge und Busse bringen jeweils 1500-2000 Flüchtlingen zu einem Bahnhof in Grenznähe und diese werden dann zu Fuß von kroatischer Polizei zur Grünen Grenze geleitet. Dort übernehmen ungarische Soldaten und lassen die Menschen in Züge steigen, die sie weiter zur österreichischen Grenze fahren. Zwischen 50.000 und 60.000 Flüchtlinge dürften bis 01.10.2015 diesen Weg einer zwischenstaatlich organisierten Fluchthilfe durchlaufen haben, die offensichtlich allein der Angst geschuldet ist, dass jeder Stau der Fluchtbewegung erneut massive Kämpfe zur Folge hat. Am 26.09. waren wir in Botovo mit der Open Borders Caravan unterwegs, eine unvergessliche Situation, als 1.650 Menschen – Frauen, Männer, viele Kinder, Alte, manche sogar im Rollstuhl – diese skurrile Etappe der Balkanroute gleichermaßen geduldig wie entschieden hinter sich brachten…
29.09.2015: Bremen
Ungewohnte Töne aus dem Gewerkschaftshaus
Ohne breite Bündnisse sind die anstehenden sozialen Auseinandersetzungen nicht zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund sei ausdrücklich auf eine Erklärung der Bremer Gewerkschaften hingewiesen, die in dieser Form ohne intensive Bündnisarbeit mit antirassistischen Gruppen sicherlich nicht möglich gewesen wäre. Gefordert werden nicht nur legale Fluchtwege und Freizügigkeit statt starrer Quoten, sondern auch gleiche Rechte für Geflüchtete. Die Erklärung dürfte als Argumentationshilfe für Bündnisprozesse an andere Orten sicherlich nützlich sein: http://bremen.dgb.de/themen/++co++3c51ce32-6070-11e5-b8b4-52540023ef1a
03.10.2015: Poznan
Towards a social transnational Strike
Rund 100 Aktivist_innen aus verschiedenen europäischen Städten trafen sich zu einer dreitägigen Arbeitskonferenz, um den im Rahmen der Blockupy-Mobilisierungen gestarteten Diskussionsprozess für einen sozialen transnationalen Streik zu vertiefen und zu konkretisieren. Arbeitsgruppen haben sich u.a. zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten der prekarisierten Arbeits- und Lebensbedingungen, zum veränderten Fabrikregime, zur “government of mobility” und nicht zuletzt zu Streik- und Widerstandserfahrungen ausgetauscht, um daraus neue transnationale Handlungsansätze zu entwickeln. Verabredet wurde eine Wiederbelebung des 1. März (2016) – “Day without migrants/migrants strike” – für koordinierte Aktionen rund um die Kämpfe für Bewegungsfreiheit und “Migrant Labour” sowie die Unterstützung einer geplanten Kommunikationskarawane von Amazon-Beschäftigten zwischen verschiedenen Standorten dieses Logistikkonzerns. Weitere Infos über http://www.transnational-strike.info/
[*] Getragen wird “Transact!” von Aktivist_innen aus Berlin, Bremen, Hanau und Wien. Wir organisieren keine eigenen Aktionen, vielmehr beteiligen wir uns an einer Vielzahl von Netzwerken und Projekten, insbesondere an den in der Collage erwähnten. Weitere Infos und Veröffentlichungen unter: http://transact.noblogs.org/