Mit dem von der Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen initiierten Festival „gegen koloniales Unrecht, in Erinnerung an die Toten der Festung Europa“ (4. bis 6. Juni) soll ein praktischer Ort der Kommunikation, Vernetzung und Selbstorganisierung geschaffen werden. Was das heißen kann, ist vergangenes Jahr während des NoBorder-Camps auf der griechischen Insel Lesbos auf beeindruckende Weise deutlich geworden:
„Morgen, wenn wir weiter ziehen, werden wir wieder Flüchtlinge sein, doch heute Nacht sind wir bis zur letzten Minute einfach Menschen, Freunde die zusammen feiern. Wer hätte gedacht, dass wir uns auf dieser Insel nicht im Wald verstecken müssten, sondern dass uns eine Nacht in Freiheit unter Freunden geschenkt würde!“
Junger Afghane während einer nächtlichen Abschlussparty auf dem Noborder-Camp. Am nächsten Tag sind etliche der afghanischen Flüchtlinge bei dem Versuch aufgeflogen, die Insel ohne Registrierung zu verlassen, sie wurden direkt in das Internierungslager nach Pagani gebracht.
„Am meisten bin ich dafür dankbar, dass ich gelernt habe, dass es mehr als nur eine Reise gibt. Als ich Somalia verließ, ging ich los, um einen sicheren und besseren Ort zum Leben zu finden und weil ich meine Familie unterstützen wollte. Ich kann nun klarer sehen, wie Europa im Augenblick ist und dass es nicht der sichere Ort ist, den ich zu erreichen hoffte. Wir werden in grauenhafte Gefängnisse geworfen und Europa sendet seine Truppen, um uns auf dem Meer zu bekämpfen. Ich habe niemals so viel in so kurzer Zeit gelernt. Es war ein harter Lernprozess, aber ich lernte noch mehr. Ich habe meine zweite Reise hier begonnen. Denn wir begannen all die anderen zu sehen, die in denselben kleinen Booten sitzen und ums Überleben und Weiterkommen kämpfen. In den letzten Tagen mit Euch gemeinsam hier in diesem Zelt in Mytilini habe ich erahnen können, wie es sein könnte, wenn wir alle gemeinsam auf die Reise gingen. Zu einem anderen Ort, der womöglich in der Zukunft existieren wird.“
Junge Frau aus Eritrea während eines Interviews am Infopunkt
„Seid vorsichtig. Ihr seid an Krieg nicht gewöhnt, an ein solches Leben. Hört auf zuzuhören, wenn ihr es nicht mehr aushaltet, passt auf euch auf. Denn wir brauchen Leute wie euch, die unsere Stimmen sind, so lange wir uns selber verstecken müssen.“
Junge Frau aus Somalia – während einer der nächtlichen Erzählungen am Infopunkt
„Als wir nach Mitilini kamen, fragten wir uns, wohin wir gehen sollten. Wir wussten nichts über Griechenland. Wir hatten keine Papiere wir waren völlig illegal. Dann sahen wir im Park einige afghanische Leute, und auch Flüchtlinge aus Eritrea und Somalia. Sie erzählten uns von dem Platz mit den Zelten. Dass wir dort bleiben könnten und dass es Essen gäbe. Nachdem die sieben Tage vorbei waren und wir am Ende im Noborder Camp gelandet waren, baten mich meine Kameraden, einige Dinge zu übersetzen. Sie sagten, dass sie sich hier nicht wie Flüchtlinge gefühlt hätten. In dieser einen Woche hatten wir eine spezielle Beziehung, wie in einer Familie. Wir hatten nicht das Gefühl: Wir sind Afghanen, sie sind Eriträer. Oder dass du aus Deutschland bist. Als wir gingen, sah ich einige von euch weinen, und auch einige von uns – aber nicht vor euch, sie versteckten es, als sie gingen. Wie beim Verlassen von Verwandten. Es war eine tolle Party, bis zum Ende, bis wir gehen mussten.
Junger Afghane – während eines Intervies in Athen einige Wochen nach dem Camp
Sämtliche Zitate stammen aus der Broschüre „Infopoint – during Noborder Lesvos 2009“ (50 Seiten). Sie kann unter transact@so36.net bestellt werden.