„Die Menschen werden zu Nomaden“


Im TV reden Leute über Wälder in Afrika, über Tiere in Afrika, aber über Menschen in Afrika geht es kaum. Früher hat es zum Beispiel richtig geregnet. Die Leute konnten ihre Felder bearbeiten, aber das geht nicht mehr. Weil jeden Tag Bäume gerodet werden – für Europa. Das ist reines Geschäft. Die armen Menschen sind an den Rodungen selber beteiligt, sie brauchen das Geld, um weiterleben zu können. Und die Politiker in Afrika lassen es zu, denn auch sie verdienen kräftig mit. Ich möchte noch ein anderes Beispiel nennen: 2006 hat ein Boot aus Europa gegen eine kleine Bezahlung Giftmüll in der Elfenbeinküste abgeladen. Über 1000 Menschen sind erkrankt, einige gestorben. Für mich heißt das: Wenn wir über Klimaveränderung reden, müssen wir auch über Auswanderung sprechen. Denn wenn alles kaputt geht, werden die Menschen zu Nomaden. Wir brauchen Technik in Afrika, aber wir müssen uns fragen, wie wir die Technik benutzen. Wenn jemand in der Landwirtschaft arbeitet, braucht er ein Auto, um die eigenen Produkte auf den Markt zu bringen. Insgesamt muss es aber weniger Autos auf der Welt geben. Die Menschen in Afrika wollen das nicht wahrhaben. Im Gegenteil: Jeder in Afrika will ein Auto. Nicht weil das Auto wichtig wäre, sondern aus Stolz: Obwohl ich arm bin, habe ich ein Auto. Wenn das Kind einer afrikanischen Familie nach Europa kommt, lautet die erste Frage: „Kannst du mir Geld für ein Auto schicken, oder für ein Handy.“ Sobald ich das kritisiere, sagen sie, du bist noch nicht in der modernen Welt angekommen. Auch Strom ist ein Beispiel dafür, dass Entwicklung immer zwei Seiten hat: 1999 wurde mein Dorf elektrisiert. Einerseits war das gut, man musste jetzt nur noch den Schalter bedienen, um in der Dunkelheit etwas sehen zu können. Andererseits hat das die Menschen individualisiert. Sie wollen nur noch vor dem Fernseher sitzen, es werden keine Geschichten mehr erzählt, auch Informationen werden nicht mehr mündlich ausgetauscht. Das Business zerstört unser Klima. Wir Menschen müssen uns deshalb fragen, welche Entwicklung wir überhaupt wollen. Denn in meiner Muttersprache sagen wir: Man kackt nicht auf den Teller, von dem man isst.

 

J.-R. D. ist 2002 aus der Elfenbeinküste nach Deutschland gekommen. Es singt in der Hip Hop-Combo „Refugies“, zur Zeit schreibt er an einem Buch über
Afrika und Europa.

// Mobilisierungszeitung zum Hamburger Doppelcamp // Hrsg. von Transact! // August 2008 // Nr.1 //

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