Afrique-Euro


Transnationale Organisierung von unten

Angefangen mit dem Algerienkrieg Ende der 1950er Jahre hat die Solidarität mit antikolonialen Befreiungskämpfen in Afrika 30 Jahre lang eine wichtige Rolle in der westdeutschen Internationalismusbewegung gespielt, am breitesten verankert dürften wohl die diversen (Boykott-)Kampagnen gegen das südafrikanische Apartheidregime in den 1980er Jahren gewesen sein. Nach 1989 ist davon wenig übrig geblieben, selbst in der globalisierungskritischen Bewegung kommt Afrika bis heute in erster Linie als Katastrophen-Kontinent vor. Um so erfreulicher ist, dass sich das Blatt allmählich wendet – zumindest in antirassistischen sowie klima- und landwirtschaftspolitischen Netzwerken sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Kontakte bzw. Kooperationen zwischen Basisinitiativen in Afrika und Europa entstanden.

Aus antirassistischer Sicht war vor allem der im Rahmen des polyzentrischen Weltsozialforums 2006 in Bamako/Mali beschlossene „Aufruf von Bamako für den Respekt und die Würde aller Migrantinnen und Migranten“ wegweisend. Denn praktisch sind hieraus vielfältige, bis heute andauernde Aktivitäten hervorgegangen: Bereits im Sommer 2006 hat in Rabat/Marokko eine Gegenkonferenz zum ersten euro-afrikanischen Regierungsgipfel stattgefunden. Vertreten waren ca. 150 AktivistInnen diverser Basisinitiativen und NGOs, mehrheitlich aus Nord- und Subsahara-Afrika, aber auch aus Europa. Unter anderem wurde auf dieser Gegenkonferenz die Gründung des transnationalen Migrationsnetzwerkes „manifeste euro-africain“ beschlossen. Nur drei Monate später wurde ein ebenfalls vom Weltsozialforum in Bamako lancierter und vom Europäischen Sozialforum in Athen (Mai 2006) unterstützter afrikanisch-europäischer Aktionstag anlässlich des ersten Jahrestags der Schüsse auf MigrantInnen an den EU-Außengrenzen in Mellila und Ceuta durchgeführt. 2007 sind die gemeinsamen Aktivitäten unter anderem beim G8-Gipfel in Heiligendamm sowie in Oujda im Rahmen einer von marokkanischen Basisgruppen getragenen (Aktions-)Konferenz zu „Menschrechtsverletzungen an der Grenze“ weitergegangen. 2008 haben sich Gruppen aus Mali und Marokko an einer transnationalen Aktionskette unter dem Motto „Gegen das Grenzregime: Transnationalisierung jetzt!“ beteiligt, zudem gab es in mehreren afrikanischen Ländern sowie in Paris gemeinsame bzw. koordinierte Aktivitäten gegen den zweiten euro-afrikanischen Regierungsgipfel (1).
Im Zuge dieser und weiterer Kontakte hat sich in jüngerer Zeit insbesondere eine enge Kooperation mit der AME in Mali herausgebildet – der „Assoziation der Abgeschobenen Malis“. Die unter anderem von medico international unterstützte Basisorganisation ist vornehmlich in drei Feldern aktiv: Erstens in der sozialen, rechtlichen und medizinischen Unterstützung von Abgeschobenen – nicht zuletzt im Hinblick auf den Prozess des Wieder-Ankommens; zweitens in der politischen Arbeit gegen das EU-Migrationsregime – zum Beispiel dagegen, dass die EU inzwischen mit Hilfe von Frontex die Grenzen Malis zu seinen afrikanischen Nachbarstaaten komplett überwacht, um so TransitmigrantInnen frühzeitig abfangen zu können; drittens im Aufbau selbstbestimmter Entwicklungsperspektiven für Mali, wozu natürlich auch das Recht auf Bewegungsfreiheit gehört, etwa für die Aneignung beruflicher Qualifikationen in Europa.
Zwei Vertreter der AME werden anlässlich des Karawane-Festivals nach Deutschland kommen – unter anderem für eine 10-tägige Veranstaltungstour (zu den Daten der Tour: vgl. Seite 1). In diesem Zusammenhang soll insbesondere ein transnational zusammengesetztes Karawane-Projekt im Vorfeld des Weltsozialforums in Dakar/Senegal im Februar 2011 besprochen werden (vgl. Seite 2), einschließlich der Frage, wie das Thema Flucht und Migration von uns, also aus der Perspektive transnationaler Organisierung von unten, auf dem Weltsozialforum thematisiert werden könnte.

(1) Conni Gunsser hat die Geschichte dieser Kooperationen in einem längeren Artikel hervorragend dargestellt. Er befindet sich auf der Webseite des Hamburger Flüchtlingsrats: http://www.fluechtlingsrat-hamburg.de/ (unter dem Menüpunkt „EU-Migrationspolitik“, und dort unter „17./18.10.2008: Aktivitäten gegen den EU-Afrika Gipfel“)

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