Und es bewegt sich doch etwas…


Lokale Klimaaktivitäten nach Kopenhagen

Mit der Mobilisierung zum UN-Klimagipfel in Kopenhagen hat die hiesige Bewegungslinke das oft als Öko- und NGO-Thema geschmähte Konfliktfeld “Klimawandel” erstmals prominent auf ihre Agenda gesetzt. Für viele BasisaktivistInnen aus dem globalen Süden ist hingegen der Kampf gegen Umweltzerstörung bzw. für den Zugang zu natürlichen Resourcen keine Frage der Wahl. Konflikte um Land und Wasser, um Kolonialsierung von Saatgut oder Privatisierung von Wäldern sind oft existentielle Kämpfe der direkt Betroffenen um soziale Rechte und somit die Grundlage für ein würdiges Leben.

Um so dramatischer ist es, dass der Klimawandel diese Situation durch weitere Verteilungskonflikte zuspitzt – jenseits der ohnehin bekannten Problematiken wie Hitze, Dürre oder Überschwemmungen: So stellt sich unter anderem die Frage, wer die bereits jetzt überlastete Atmosphäre in den nächsten Jahrzehnten zu welchen Anteilen mit weiteren Treibhausgasen aufheizen darf – eine vor allem deshab brisante Angelegenheit, weil fossile Brennstoffe bis heute die mit Abstand billigsten Energieträger sind.
Um diese und weitere Klimakonflikte sichtbar zu machen, wurde von südlichen (Basis-)Bewegungen der Begriff der Klimagerechtigkeit eingeführt. Neben Fragen historischer Verantwortung und Lastenteilung propagiert Klimagerechtigkeit vor allem die schnelle Durchsetzung strikter Emissionsminderungen. Die hierfür notwendige gesellschaftliche Transformation ist insbesondere für die (strukturell privilegierte) Linke im Norden eine Herausforderung. Denn sie macht ein Nachdenken über die Ressourcenintensität hiesiger Konsumstandards und somit über Utopien jenseits von “Luxus für alle” erforderlich. Um Klimagerechtigkeit zu erreichen, ist es einerseits wichtig, ihre Forderungen zu konkretisieren und in lokalen Prozessen zu verankern. Andererseits ist eine verstärkte transnationale Vernetzung gefragt, um unterschiedliche Betroffenheiten und Wechselwirkungen zu erkennen und solidarisch gemeinsame Perspektiven entwickeln zu können. Das ist der Grund, weshalb Anfang Oktober ein weltweiter Aktionstag für Klimagerechtigkeit stattfinden soll – nicht zuletzt im Anschluss an die durch die “Klimakarawane von Genf nach Kopenhagen” (Dezember 2009) gesetzten Impulse: AktivistInnen des “Klima!BewegungsNetzwerks” wollen hierfür zu einer direkten Aktion in Brandenburg mobilisieren. Denn dort werden nicht nur weiterhin Dörfer für Braunkohle abgebaggert – dem klimaschädlichsten Energieträger überhaupt – sondern auch Erkundungen für die “unterirdische Endlagerung” von abgetrenntem CO2 aus der Kohleverstromung durchführt. Dieses CCS genannte Verfahren soll die weitere Nutzung des “heimischen Energieträgers Braunkohle” ermöglichen. Technisch unausgereift und wirtschaftlich unsinnig, dient CCS hauptsächlich als klimapolitisches Feigenblatt für ein energietechnisches “weiter wie bisher”.
Federführend hierbei ist der Energiekonzern Vattenfall, der auch aufgrund seines unsozialen Geschäftsgebahrens und seiner besonders dreisten “greenwashing”-Strategie bereits jetzt ins Visier genommen wird: So liefen Ende März einige AktivistInnen beim Berliner Halbmarathon (Hauptsponsor: Vattenfall) in Firmenfarben mit Protestslogans bis ins Ziel. Zudem sind Kontakte zwischen linken Klimagruppen und Brandenburger BürgerInnen-Initiativen entstanden, die sich gegen Braunkohletagebau und CCS wehren. Hierzu passt, dass in NRW im August ein Klima-Camp gegen den dortigen Tagebau geplant ist.
Der Kampf gegen die (Re-)Etablierung der Atomkraft als “saubere, klimafreundliche und alternativlose Energieform der Zukunft” wird im Castorjahr ebenfalls ein wichtiges Aktionsfeld der Klimabewegung sein. Darüber hinaus haben sich in vielen Städten “Umsonstfahr- und Sozialticketinitiativen” gebildet, um ein klimaverträgliches Recht auf Mobilität für alle praktisch durchzusetzen. Schließlich sei auch erwähnt, dass die Zahl der Projekte ständig wächst, welche kollektiven, regionalen Nahrungsmittelanbau ausdrücklich als Beitrag zu einem post-fossilistischen Zeitalter begreifen.
Hinsichtlich transnationaler Vernetzung ist die nächste zentrale Station Bonn. Dort werden sich Anfang Juni anlässlich der nächsten UNO-Zwischenverhandlungen europäische und internationale KlimaaktivistInnen treffen, unter anderem um die Erfahrungen und Ergebnisse des “Gipfels sozialer Bewegungen” in Cochabamba auszuwerten, zu dem die bolivianische Regierung als Reaktion auf die gescheiterten Verhandlungen in Kopenhagen vom 20. bis 22. April geladen hatte. Eine globale, solidarische Klimabewegung von unten beginnt sich zu organisieren. Sie ist nötiger denn je.

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